Es gibt Bands, vor denen man einfach den Hut ziehen muss, weil sie auch nach zehnjährigem Bestehen mit jedem Album aufs Neue überraschen können und es gibt Bands, die nach besagtem Zeitraum eindeutig an ihre Grenzen stoßen. Auf welcher Seite sich die Berliner Formation Blutengel befindet, muss letztendlich jeder für sich selbst entscheiden. Doch mit ihrem siebten Studioalbum 'Schwarzes Eis', welches sich in einer aufwendigen Doppel-CD präsentiert, haben sich Chris, Constanze und Ulrike nicht unbedingt einen Gefallen getan; auch wenn der gegenwärtige Charterfolg gegenteiliges verheißt. Für Chris Pohl schien es äußerst reizvoll, seine simplen, von unerfüllter Liebe und Tod berichtenden Texte in eine apathische Gesangsdarbietung umzuwandeln. Dieser Eindruck wird schon im Opener 'Behind The Mirror' erweckt und durchzieht leider das gesamte Konzept. Abwechslungsreiche und innovative Meisterwerke sucht man vergebens, findet jedoch mittelprächtige Stücke wie 'Dreh dich nicht um', 'Schatten' und 'Broken Girl', die zumindestens Langeweile garantieren. Zugegeben, es fällt schwer bei Club-orientierten Liedern wie 'My Darkest Nights' und dem gesangsverzerrten 'My Nightmare' still auf seinen Stuhl sitzen zu bleiben. Auch die textlich sehr klischeehaften 'Kind der Nacht' und 'Schneekönigin' haben ein beträchtliches Hit- und Single-Potenzial. Ansonsten können die Stimmen der beiden Damen die CD deutlich aufwerten. Ulrike beeindruckt mit ihrer reinen Engelsstimme ('Secret Places'), während Constanzes tiefere Tonlage für traurige Balladen wie 'Nightfall', welches das Album zum Abschluss bringt, prädestiniert ist. Schade, dass die Frauen nicht mehr zu sagen hatten. Bei der zweiten CD 'Behind The Mirror' handelt es um ein instrumentales Konzeptalbum, das mit seiner melancholischen Grundstimmung den Wert von 'Schwarzes Eis' vergeblich zu steigern versucht. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden vor allem die jüngeren Fans die Stimme ihres Lieblings vermissen und das Album entweder im Schrank verstauben oder zur Gute-Nacht-Musik verkommen lassen. Wie bereits im letzten Jahr von Chris Pohl angekündigt, klingt 'Schwarzes Eis' um einiges härter als sein Vorgänger 'Labyrinth'. Die verzerrten Vokals und der krampfhaft schnelle Tanzrhythmus einiger Lieder sind zweifellos ausschlaggebend für diesen Eindruck. Trotzdem lässt einem das Gefühl einfach nicht los, dass die Szene-Ikone hier manche Melodien früherer Alben recycled und ihnen anstandshalber einen neuen musikalischen Charakter modelliert hat. Ob das Trio live mehr überzeugen kann, wird sich am 14. April zum Tourstart in Nürnberg zeigen. Für alle Berliner dürfte die Freude doppelt so groß sein, denn Blutengel werden sich in der Hauptstadt Ende Mai gleich zweimal anpreisen.