Bei kaum einer anderen Band ist der Wechsel vom Indie- zum Majorlabel derart kontrovers diskutiert worden und das Thema nach wie vor so präsent, wie bei Against Me!. Denn nur wenige Bands haben ihre Fans dermaßen stark emotional an sich binden können. Und zunächst, sprich mit dem ersten Major-Album 'New Wave', sah es auch so aus, als würden Tom Gabel und seine Mannen tatsächlich die schwierige Balance halten können, sich der Logik des großen Geschäfts und dem Mittelmaß der Masse widersetzen und im Grunde weiter ihr eigenes Ding durchziehen - nur eben unter für sie günstigeren Voraussetzungen. Jetzt kommt also 'White Crosses', der Nachfolger von 'New Wave', die Nagelprobe: ungeduldig herbeigesehnt und im Vorfeld mit den größten Erwartungen... ja, man könnte sogar sagen: belastet. Egal, mit welch großer Freude oder Befürchtung man dem insgesamt fünften Studioalbum der Kombo entgegensieht, es ist klar, dass Against Me! damit die Richtung für das weisen, was in naher und mittelfristiger Zukunft noch von ihnen zu erwarten sein wird. Wenig erstaunlich also, dass auf Gabels Blog unter den Fans eine unerbittliche und stark polarisierte Diskussion entbrannt ist, als die neuen Songs vor einigen Wochen im Internet auftauchten. Man muss sich gar nicht durch alle ca. 140 Einträge kämpfen, um zu erkennen, dass es inzwischen eine neue Generation AM!-Fans gibt, die mit den Ansprüchen der alten kaum noch etwas anfangen können. Tom Gabel schmeißt schon lange keine Starbucks-Fenster mehr ein. Das ist OK. Man wird schließlich irgendwie auch erwachsen, entwickelt sich weiter, gründet eine Familie, trägt Verantwortung. Wir befinden uns im Jahre zehn nach 'Reinventing Axl Rose', und da sind die Dinge nicht mehr schwarz-weiß. Völlig klar und völlig legitim. Soweit zu den Inhalten. Aber muss man sich deswegen auch musikalisch derart selbst aufgeben? 'New Wave' war schon anders, klar. Leichter zugänglich und verdaulich, und ist daher ja auch prompt vom Spin-Magazine zum Album des Jahres 2007 gekürt worden. Damit waren Against Me! beim breiten Publikum angekommen, was man ihnen nur gönnte. Aber 'New Wave' war - wenn auch im AM!-Gesamtwerk nur noch Durchschnitt - objektiv und eigenständig betrachtet eine super Platte. Man kann kaum soviel noch so guten Willen aufbringen, um das auch von 'White Crosses' zu behaupten. Das neue Album hat auch objektiv nur noch ganz wenig mit Punkrock zu tun; schlimmer noch, ist furchtbar überproduziert und verglichen mit dem, wofür Against Me! einmal standen, schlicht die Enttäuschung des Jahres. Das Problem ist nicht, dass die Dynamik der Lieder sich meist auf Midtempo beschränkt, sich gar eine so gefühlvolle Ballade wie 'Ache With Me' darauf befindet oder die Melodien grundsätzlich ein wenig verspielter sind. Die Songs sind in ihrem Rohbau durchweg als typische AM!-Stücke erkennbar und haben das bekannte, qualitativ hochwertige Gabel-Potential. Das Problem ist aber, dass sie mit schrecklich klaren Gitarrenlinien und sterilen Drums ausgestattet sind, mit mainstreamigen Pianoparts und unnötigem Schnickschnack wie einer nervösen Ukulele oder einem unerträglichen, ins Mikrofon gehauchten 'Chu-kah' aufgepeppt wurden und allesamt fast zuckersüß und so aalglatt, so rund sind, dass man beim Hören keinen Halt findet. Zu allem Überfluss meint Tom Gabel (oder war das die Idee von Produzent Butch Vig?) auch noch, zumeist lockerflockig dahinsingen zu müssen und seinen charakteristischen eindringlichen Gesang - der zugegebenermaßen nie Jedermanns Sache war - nur noch partiell zur Geltung zu bringen. 'White Crosses' wirkt streckenweise wie ein billiger Abklatsch von 'New Wave', der in dem untragbaren 'We're Breaking Up' gipfelt, das das wunderbare 'Borne On The FM Waves Of The Heart' unfreiwillig verhöhnt. Die harsche Kritik darf nicht falsch verstanden werden. Against Me! bleiben auch für einen enttäuschten Fan immer eine der wichtigsten Bands im Leben. Wer sie wegen Songs wie 'Those Arnarcho Punx Are Mysterious', 'Slurring The Rhythms', 'Don't Lose Toch' oder 'Americans Abroad' liebt, bleibt wohl auf ewig mit ihnen verbunden und wird auch zukünftig auf ihren Konzerten - wo die Band all die alten Kracher auch weiterhin mit Herzblut und Verve spielt - abfeiern, als gäbe es kein Morgen mehr. 'White Crosses' aber landet in der Verbannung. Und irgendwie hofft man ja dann doch, dass das mit dem nächsten Album nicht wieder passiert.