Das komische Geräusch am Beginn von "Crazy Beat", für das ich kein Wort finde, erschreckte mich beim ersten Hören von "Think Tank" so sehr, dass ich zur Anlage sprang, sie komplett ausschaltete und mich erst dann in aller Gefaßtheit meinen Blur-bezogenen Ängsten stellte. Fatboy Slim als Producer. Der schreckliche Weggang von Graham Coxon, voraussehbar oder gefürchtet seit langem, nicht aber in solchen Dimensionen erahnt. Nicht zuletzt auch Grahams Kommentar zu "Think Tank" und der teils eher dumpfe Sound, den die Band bei ihrem Minigig im Postdamer Fritz-Studio produzierte. Die Berührungsangst überwunden und das Label im Nacken, spielte ich die CD heute morgen wieder ab und nun, Stunden später, bin ich "hooked". Auch wenn es cheesy ist: I just wanna be with you darling, the music's made that way. Obwohl die Musiker zeitweise Abstand vom üblichen Strophe/Refrain-Schema nehmen und sich durch den Einsatz von Beats und verqueren Rhythmen in Experimentierfreude üben, ist 'Think Tank' natürlich zugänglich (ebenso wie kommerziell verwertbar) aufgrund der wunderschönen Melodien, die sich oft nicht gleich beim ersten Hören entfalten, dafür mit der Zeit aber umso eindringlicher ins Ohr setzen. Dazu zählen vor allem "Caravan", "Out Of Time" und "On The Way To The Club". Neben zahlreichen ruhigeren Songs, um nicht zu sagen Liedchen ("Sweet Song", ein offener Brief an Graham) haben Blur auch wieder einen ihrer typischen "machen wir uns Luft"-Songs auf das Album gepackt: die Rede ist vom nur sekundenlangen Punkrockknaller "We´ve Got A File On You". "Crazy Beat" fällt etwa in das gleiche Schema. Gorillaz-Einflüsse, auch wenn Blur dies als Unterstellung empfinden würden, zeigen sich ganz stark in "Moroccan Peoples Revolutionary Bowls Club", das mir eher weniger gefällt. Ziemlich untypisch für Blur ist auch das groovende "Brothers and Sisters", das so manchen Hörer an Beck circa "Midnite Vultures" erinnert. Fehlende Gitarren werden vorrangig durch den Einsatz von Backing-Chören und Sythesizern aufgefangen. Mit "Battery In Your Leg" findet sich nur ein einziger von Graham geschriebener Song auf "Think Tank", der, ob Zufall oder nicht, denn auch herzzerbrechende Wirkung hat. Mit "Think Tank" haben Blur ein kraftvolles und homogenes Album geschaffen, das ich trotz aller Blurmania nicht mehr von ihnen erwartet hätte und dem meiner Meinung nach nur eines fehlt, die Anwesenheit eines bebrillten, ewig wie ein kleiner Junge aussehenden Mannes namens Graham Coxon. Wer mit den Namen Blur noch immer nur drei Stichworte assoziiert ("Country House", Britpop, "Song 2"), hat es eigentlich nicht verdient, wird aber dennoch aufgefordert, es doch einmal mit "Think Tank" zu versuchen. Und wir anderen... prepare to fall in love.